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Dopamin-Mangel bei Depression?

Könnte für einige depressive Symptome ein Mangel an dem Neurotransmitter Dopamin verantwortlich sein? Einige Gedanken zum Thema:

Von 1955 bis in die 1960er Jahre war der Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Ritalin (Methylphenidat) ein beliebtes Medikament gegen leichte depressive Symptomatik und Müdigkeitszustände.

Werbung von CIBA für Ritalin ca. 1955:

Lift the depressed patient up to normal without fear of overstimulation...with new Ritalin.  A happy medium in psychomotor stimulation.   Boosts the spirits, relieves physical fatigue and mental depression...yet has no appreciable effect on blood pressure, pulse rate or appetite.

Ritalin is a mild safer central-nervous-system stimulant which gently improves mood, relieves psychogenic fatigue "without let-down or jitters".

Später wurde noch das schnelle Einsetzen der Wirkung von Ritalin beworben. Die in den 1960er Jahren langsam beliebter werdenden "richtigen" Antidepressiva (Saroten) wirken erst nach 2-4 Wochen.

Als Dosierung für Ritalin wurde 5 bis 20 mg (je nach Indikation) empfohlen. Die Pillen gab es in 100, 500 oder 1000er Flaschen!!

Sehr problematisch war die Idee Ritalin als Gegenmittel bei durch Barbiturate ausgelöste Müdigkeit einzusetzen sowie der Gebrauch als Schlankheitsmittel. Der teilweise unverantwortliche Umgang der Ärzte mit dem Medikament führte bei einigen Patienten zur Sucht. Ob jedoch der Begriff "Sucht" bei einer erfolgreichen (Dauer-) Therapie eines definierten Krankheitsbildes sinnvoll ist, ist fraglich.

Der Psychiater David Healy (2002) schreibt, daß Methylphenidat bei ambulanten Patienten mit Depressionen genauso wirksam sind wie die neuesten Antidepressiva The Creation of Psychopharmacology  Seite 62: "Although the antidepressants came into being as drugs that cured depression in hospital patients, the overwhelming majority of patients with depressive disorders now treated with antidepressants are not hospitalized. In these patients it is clear that dexedrin and methylphenidate are as effective as the SSRI antidepressants."

Siehe auch : Chiarello und Cole (1987) The use of psychostimulants in general psychiatry. Archives of general psychiatry 286-295

Es fällt auf, daß in der Psychopharmaka-Geschichte immer wieder Substanzen auftauchen, die eine positive Wirkung bei Depressionen (oder wenigstens auf Müdigkeit und Antriebsstörungen) haben und die Dopamin im Gehirn erhöhen.

Die "klassische" Substanz ist das Kokain (1880-1900). Kurz nachdem Sigmund Freud seine anregende Wirkung feierte, wurde die Suchtgefahr deutlich. Ein Schicksal, das viele der hier besprochenen Medikamente teilen.

Als nächstes wurden die Amphetamine (1930er Jahre) gegen Müdigkeit eingesetzt. 1955 kam Ritalin auf den Markt. Weitere Substanzen die "Dopamin verstärken" (scheinbar gibt es drei unterschiedliche Mechanismen) :

1. Direkte Verstärkung (Agonisten) - Levodopa, Pergolid, Bromocriptin, Pramipexol, Amantadin

2. Wiederaufnahme Hemmung (DRI)Amineptin, Nomifensin, Bupropion, Cocain, Pemolin, Methylphenidat

3. Monoaminoxidase B-Hemmer (MAO-B baut Dopamin ab) - Selegilin

Wie, wann und wo die einzelnen Stoffe genau wirken ist wegen der Komplexität des Gehirns nur schwer zu erforschen und zu verstehen!

Um 1960 entdeckte Arvid Carlsson das Dopamin ein eigenständiger Neurotransmitter ist.

Argumente für Dopamin-Mangel bei Depressionen:

Wirkung von Medikamenten (reversed engineering)

Deutliche, schnelle Wirkung auch bei "Gesunden"

Dopamin-Rezeptor-Blockade (Neuroleptika) kann zu Depressionen führen

Reserpin (Verarmung von Dopamin) kann zu Depressionen führen

Parkinson-Krankheit häufig mit Depressionen verbunden

Auch bei den klassischen ADs wird heute eine (nach 2 bis 4 Wochen) einsetzende Wirkung auf das Dopamin-System diskutiert

Argumente gegen Dopamin-Mangel bei Depressionen:

Bei Depressiven kein Dopamin-Mangel direkt nachweisbar

Die "logischste" Therapie mit Levodopa ist nicht sehr wirksam

Bei schizophrenen Psychosen (zuviel Dopamin?!) sind die Patienten eher depressiv

Die Versuche Unterschiede bei den Serotonin bzw. Noradrenalin selektiven Antidepressiva zu definieren waren wenig erfolgreich

Ein  Subtyp der Depression der auf die genannten Substanzen gut ansprechen könnte, wäre möglicherweise durch die Symptome Antriebslosigkeit, Motivationslosigkeit und Anhedonie gekennzeichnet. Ähnlich wie bei der Parkinson-Depression wäre die "Traurigkeit" nicht so ausgeprägt.

Die amerikanische Pharmafirma DOV versucht zur Zeit einen "triple-wirkenden" Stoff (Wiederaufnahme-Hemmung von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin) zu erforschen. Warum man nicht einfach Prozac (S-RI) und Ritalin (D+NA-RI) kombiniert bleibt ein Rätsel.

Literatur:

Ebert, D. und Lammers, CH (1997) Das zentrale dopaminerge System und die Depression in Nervenarzt S. 545-555 (Der umfangreichste Artikel der letzten Jahre)

"Angesichts der zentralen Bedeutung des mesolimbischen dopaminergen Systems für Stimmung, Affekt und Motivation und der zitierten Befunde sollte sich ein Ende der 'Außenseiterrolle' des dopaminergen Systems in der Depressionsforschung in naher Zukunft abzeichnen."

Lemke, MR (2005) Dopaminagonisten in Bauer, M.: Akute und therapieresistente Depressionen S. 322-328  (Die aktuellste Zusammenfassung)

Lemke zählt viele Substanzen auf die eine Wirkung bei Depressionen haben könnten. Jedoch scheint die Studienlage bei keinem wirklich überzeugend. Er spricht auch den "Parkinson-Subtyp" an.

Lemke, MR (2007) Dopaminagonisten als Antidepressiva in Nervenarzt S. 31-38

Einige neue Überlegungen über Pramipexol bei Depressionen.

Gessa, GL und Serra, G. (Hrsg.) (1990) Dopamine and Mental Depression 18 wissenschaftliche Aufsätze eines Symposiums.

Kraus, M./Burch, EA (1992): Methylphenidate Hydrochloride as an Antidepressant - Controversy, Case Studies and Review Southern medical journal 985-991

6 Fallbeispiele aus dem New Orleans VA Medical Center:

65m, Parkinson und Krebs, 3 mal 10 mg, Besserung von depressiven Symptomen

79m, Schlaganfall, 10-10-6 mg, leichte Besserung

58m, Hormonstörung, Lungenfunktionsstörung, 10-10 mg, deutliche Besserung

65m, Schlaganfall, 10-10 mg, deutliche Besserung

71m, Schlaganfall, Diabetes, 10-10 mg etwas besser

64m, Herzinfarkt, 5-5 mg, deutlich besser

Keine Nebenwirkungen, Schlaf besser, keine Toleranz

Die Studie ist typisch für die Forschung mit Methylphenidat in den letzten Jahren. Bei körperlich kranken Menschen (AIDS, Krebs, "Altersschwäche") werden Erfolge berichtet. Ein Einsatz als Monotherapie bei reiner depressiver Symptomatik wird nicht untersucht.

Mehr zu  Ritalin

Weblinks

Wikipedia über Dopamin Wiederaufnahme Hemmer englisch

Amineptine (Survector) scheint der selektivste DRI zu sein www.amineptine.com

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